Was wollt ihr denn in Texas…? Da gibt’s doch nur Ranches, Rinder und Öl! Naja, und etwa eine Million Pferde. Letztere – und die „Western Cowboy Tradition“ sollten Pferdefreunden und noch dazu Quarter Horse Reitern Grund genug sein für einen dreiwöchigen Urlaub. Doch wir fanden viel mehr: Pulsierende Städte, Ruhe am Golf von Mexiko und mexikanische Tradition in Sant Antonio, wo sogar der Papst einen Westernhut bekommen haben soll.
Back to the basics – das ist das Prinzip von Don Hutson auf seiner Ranch „The Cowboy Solution“.
Wir bzw. unser Navi findet die Ranch nach einer etwa anderthalb stündigen Fahrt, u.a. durch den Sam Houston National Forest
(siehe hier) etwa 90 Kilometer nördlich der Metropole Houston in einem Nest namens Richards. Nach dem Trubel am Flughafen kann man hier die Stille hören – etwas verspätetes abendliches Vogelgezwitscher, sonst nichts. Und nach Sonnenuntergang finsterste Nacht unter einem weiten Sternenhimmel.
Back to the Basics
Don empfängt uns herzlich. Das tun fast alle Texaner, stolz auf
ihre „Southern Hospitality“, die seit Jahrhunderten gute Tradition
in diesem weiten Land ist. Und es tut gut, nach einer insgesamt
fast 20-stündigen Reise freundlich aufgenommen zu werden. Als
Don sagt „let me show you our barn“ glauben wir es nicht. Für
500 Dollar Übernachtungspreis im Stall schlafen? Dabei kann es
sich nur um einen Witz handeln. Aber tatsächlich: In einem ehemaligen
Pferdestall wurden die sechs Boxen – jeweils drei links und rechts
der Stallgasse – mit Doppelbetten und einem verzweigten Ast als
Kleiderständer eingerichtet. Anstatt Wänden Gitter mit Vorhängen.
Am Ende links zwei Gemeinschaftsduschen plus jeweils eine Toilette.
Gut dass wir die einzigen Gäste sind…
Back to the Basics – das ist wie gesagt das Prinzip der „Cowboy
Solution“, mit der Don Hutson, Professor der Musikwissenschaften
und ehemaliger Dirigent eines Symphonie-Orchesters, sein heutiges
Geschäft betreibt, für das er sehr erfolgreich Pferde quasi als
Lehrer einsetzt: Menschen, überwiegend Teams mit Führungskräften
und deren Mitarbeitern zu zeigen, wie vertrauensbildende Kommunikation
als Basis für „Leadership“ funktioniert. Voraussetzung dafür ist
eine völlig andere als die gewohnte Situation, weg vom gepolsterten
Bürostuhl und hin zu den wesentlichen Dingen dieses Lebens.
Kommunikation als Basis für Vertrauen
Diese Idee findet ihre Fortsetzung in der simplen Kommunikation
mit dem Pferd, das dem Menschen, je nachdem, wie er sich gegenüber
dem Tier verhält, ehrlich zeigt, ob es ihm vertrauensvoll folgen
will oder nicht. „Ziel der Übungen, in denen eine Person ein Pferd
zum Beispiel in einem etwa 20 Meter großen Kreis zum Laufen aktivieren
und wieder anhalten soll, ist es, den Menschen die Wirkung ihrer
Körpersprache als Mittel der nonverbalen Kommunikation überhaupt
erst bewusst zu machen“, erklärt der durchaus charismatische Ex-Dirigent
überzeugend. Sie sehen dann ganz spontan, ob sie zu vorsichtig
oder aggressiv auf das Tier zugegangen sind und können daraus
auch Rückschlüsse auf ihre zwischenmenschliche Kommunikation ziehen.
Diese Arbeit soll zwei wesentliche Erkenntnisse bringen. Erstens:
Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Teambildung und
-arbeit ist das Vertrauen untereinander und zur Führungskraft.
Zweitens: Vertrauen wird sehr stark durch nonverbale zwischenmenschliche
Kommunikation aufgebaut und gefestigt.
Das Pferd reagiert auf die Aktionen des Menschen vorbehaltlos
und ehrlich. Es verkörpert daher im Grunde einen genauen Spiegel
der Aktionen des Menschen: Geht er zu aggressiv auf das Pferd
zu wird es flüchten, nähert er sich freundlich, aber bestimmt,
wird es langsam vorangehen. Agiert er zu vorsichtig, wird es ihn
ignorieren.
Aha-Effekt
Die Arbeit mit dem Tier soll den Kursteilnehmer sensibilisieren,
sich seine Verhaltensweisen bewusst zu machen, die auch im menschlichen
Miteinander von größter Bedeutung sind. „Es ist immer wieder beeindruckend,
wie schnell Firmen-Teams, die dieses einfache Miteinander und
die Kommunikation mit dem Pferd erleben, erkennen, worauf es in
zwischenmenschlichen Beziehungen ankommt und wie positiv sich
dies auf das Vertrauen, Führungsverhalten und in der Konsequenz
auf die bessere Zusammenarbeit und Effizienz in Unternehmen auswirken
kann“, erklärt Don Hutson.
Allerdings funktioniert der „Aha-Effekt“ vor allem bei Menschen,
die bisher keine Berührung mit dem unbekannten Wesen Pferd gemacht
haben. Wer nämlich weiß, wie man ein Fluchttier im Kreis bewegt,
kann dies höchst sensibel tun und in seiner Abteilung dennoch
mit Angst regieren…
Zurück zur Natur: Cowboy Campout
Aber nicht nur Leadership-Ambitionierte können im Cowboy Campout
zurück zum Wesentlichen finden: Wem die Scheune noch zu komfortabel
ist, der findet in einem Zelt jenseits der Pferdekoppel die komplette
Ruhe, um zu sich selbst zu finden, unterbrochen lediglich durch
ein gelegentliches Pferdewiehern oder Hufgetrappel. Die Gäste
können am Lagerfeuer Steaks grillen oder vom Cowboy Campout Team
zubereitete texanische Hausmannskost genießen. Tagsüber lädt der
Sam Houston National Forest zum Ausreiten ein, in dem man stundenlang
auf Quarter Horses die Seele baumeln lassen kann.
Kontrastprogramm: Family Fun am Golf in Galveston
Nach dem Cowboy Campout und den Wesentlichen (Reiter)Dingen dieses
Leben bietet Galveston am Golf von Mexiko, nur 40 Minuten (wenn
kein Mammut-Verkehrschaos diese Planung verdirbt) südlich von
Houston, eine quirliges Kontrastprogramm mit dem Charme einer
Südstaaten-Kleinstadt: Auf der gut 50 Kilometer langen und nur
sechs Kilometer breiten Insel wird jeder auf seine Art fündig:
Da gibt es alte viktorianische Architektur, von der vor allem
der Bishop’s Palace des Eisenbahn-Magnaten Walter Gresham mit
seinem elegantem Interieur und Spitztürmchen beweist, wie gut
es sich die bessere Gesellschaft des 19. Jahrhunderts hier hat
gehen lassen.
Im historischen Hafen bietet die „Pier 21“ eine abwechslungsreiche
Auswahl an Attraktionen. Zahllose Galerien und Antikläden laden
zum Bummeln und Staunen ein, Cafés, Candy-Shops mit Live-Bonbonherstellung
und Restaurants zum Entspannen und Genießen. Im Pier 21 Theater
informiert eine knapp halbstündige Dokumentation über den „Großen
Sturm“, der im Jahr 1900 Galveston zerstört hat. Im Ocean Star
Oil Rig Museums erfährt man – gesponsert von den entsprechenden
Industrien – wie wichtig und vor allem wenig gefährlich das Offshore-Ölgeschäft
ist, Pannen wie die der Deepwater Horizon scheint man da schlicht
vergessen zu haben. Außerdem gibt es ein Eisenbahn-Museum, Hafenrundfahrten
und das Lone Star Flight Museum mit einer ausgesuchten Auswahl
restaurierter Flugzeuge.
Wer sich Galveston – wenigstens eine Sekunden lang – von oben
anschauen möchte, kann dies zahllosen Fahrgeschäften aus tun.
Dazu gehören u.a. das 30 Meter hohe Riesenrad „Galaxy Wheel“ oder,
etwas rasanter, die Achterbahn namens „Iron Shark Rollercoaster“.
Alle diese und noch deutlich mehr Fahrgeschäfte, Restaurants und
Shops finden sich auf der “Galveston Island Historic Pleasure
Pier” (http://www.pleasurepier.com) am anderen Ufer der Insel
am langen Strand.
Eine hervorragende Hotelempfehlung ist das Moody Gardens Hotel.
Es bietet auch ein umfangreiches Wellness-Center und – für Naturliebhaber
– schräg gegenüber zwei Pyramiden, die zum einen ein ansehnliches
Aquarium und zum anderen einen künstlichen Regenwald beheimaten.
Letzterer wurde erst kürzlich für 25 Millionen Dollar renoviert,
so dass die Besucher heute eine neben hunderter gefährdeter Arten
und tropischer Pflanzen auch eine bunte Auswahl tropischer Vögel
im Freiflug und possierliche Äffchen auf ihren Bäumen beobachten
können.
Wer den Strand auf dem Pferderücken erleben möchte, kann dies
am westlichen Ende der Insel tun, allerdings scheint dies weniger
eine reiterliche Herausforderung zu sein, wie die wartenden Badeschlappen-tragenden
Touristen vermuten lassen.
Text & Bilder: Doris Jessen
Doris Jessen ist Fachjournalistin und betreut deutschlandweit
Kunden zu den Themen Pferdesport sowie Informationstechnik.
Seit Juli 2010 betreibt sie außerdem das Online-Portal für mobile
Reiter und Pferde www.mit-pferden-reisen.de.