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Selbstständigkeit und Kontrolle
Alle Übungen aus der Rinderarbeit
wende ich ebenfalls an, um bereits
ausgebildete Pferde zu korrigieren
bzw. zu verbessern. Überlässt man ein
Rinderpferd zu sehr seinem eigenen
Spieltrieb, kann es passieren, dass es
eigene Ideen entwickelt. Es fängt an, zuviel selbstständig zu arbeiten oder
eben zu „spielen“. Das äußerst sich
etwa darin, dass ein solches Pferd die
Rinder eigenmächtig treibt oder –
salopp ausgedrückt –, sie anschiebt
oder schubst. Deshalb muss man sich
immer wieder die Mühe machen und
ein solches Pferd kontrolliert reiten. Natürlich hat man es gern, dass es
möglichst selbstständig arbeitet. Doch es ist ähnlich wie im Trail-Parcours: Das Pferd muss sich schon deutlich
vom Reiter beeinflussen lassen. Der
Reiter gibt an, welches Rind gearbei-
tet wird und in welcher Form: Zum
Beispiel, ob wir ein Rind treiben oder
das Gegenteil davon, nämlich es am
Weglaufen hindern bzw. den genauen
Zeitpunkt, wann wir das verhindern
wollen. Ein Ranchpferd soll ja dem
Reiter helfen. Wenn ein Pferd gelernt
hat, sich zu positionieren, und wenn
es gelernt hat, sich jederzeit von einem
Rind „wegnehmen“ zu lassen, in eine
andere Richtung als das Rind zu
gehen, dann ist es eigentlich kein Pro-
blem mehr, jegliche Art von Rinderar-
beit zu machen.
Mentale Vorbereitung auf das Training
Neben den vielen praktischen
Übungen darf ich nicht die mentale
Einstellung des Reiters vernach-
lässigen, sonst könnte es zu einer
Enttäuschung kommen. Beim ersten
Kontakt des Pferdes mit einem Rind
kann nämlich Folgendes passieren: Das Pferd zeigt extreme Angst, drängt
rückwärts und springt weg. Das
verunsichert viele Reiter im Hinblick
auf das geplante Training mit Rin-
dern. Sie fragen sich dann: „Ist mein
Pferd überhaupt geeignet oder ist es
vielleicht überfordert?“ Doch man
sollte schon genauer hinschauen, denn
dann sieht man große Unterschiede. Springt ein Pferd zwar weg, wendet
den Kopf aber immer wieder zum
Rind hin, dann versucht es, dieses im
Auge zu behalten. Das sind oftmals
sehr, sehr gute Cutting-Pferde, die
einfach erst mal auf diese Bewegung
reagieren, aber noch nichts mit ihrem
Cowsense anfangen können. Es muss
nicht bedeuten, dass dieses Pferd
ungeeignet für die Rinderarbeit ist. Ich würde diese Reaktion auch nicht
unbedingt mit „zuviel Stress für das
Pferd“ interpretieren, sondern zur
Besonnenheit raten und nun der Reihe
nach das Training aufbauen.
Man darf eines nicht vergessen, gerade die Rin-
derpferde, die Cowsense haben, sind ja
darauf gezüchtet worden, extrem auf Bewegung zu reagieren. Daher ist es
nur natürlich, dass sie anfangs viel-
leicht überreagieren. Das kommt vor
und legt sich relativ schnell. Es kann
natürlich sein, dass manche Pferde
überhaupt nicht „zuhören“ und davon-
rennen. Auch das ist nicht so schlimm. Da hilft es, das Pferd erst mal zu-
schauen zu lassen. Ich rate den Pfer-
debesitzern – falls sich diese Möglich-
keit ergibt – zunächst mal bei einem
Viehtreck mitzumachen. Mit großem
Abstand stundenlang draußen hinter
einer Rinderherde herzureiten, hat
oftmals geholfen. Pferde suchen gerne
den Schutz anderer Pferde, am besten
also sich einem erfahrenen Arbeits-
pferd anschließen und so wird sich
die Unsicherheit des „Neulings“ bald
legen. Dieser lernt zum Beispiel, dass
die Rinder vor den Pferden weglaufen. Auf diese Art und Weise kann man
den Spieltrieb wecken und dem Pferd
zeigen, dass es Spaß macht. Dreht
die Rinderherde allerdings um und
kommt auf das Pferd zu, ist es völlig
normal, dass unser „Angsthase“ erst
mal wegläuft.
Das ist ähnlich, als wenn
man an einer Koppel vorbeireitet, in
der mehrere Pferde hin- und hergalop-
pieren. Viele Pferde lassen sich eben
davon beeinflussen und möchten auch
gerne rennen. Ob sie nun mitrennen
oder wegrennen wollen, das kann man
oftmals nicht so genau sagen. Aber
dieser Instinkt: „Alle rennen, ich renne
mit“, ist nun mal der Urinstinkt vom
Fluchttier Pferd. Nur sollte man das
am Anfang einer Ausbildung zur Rin-
derarbeit bedenken. Natürlich bedeu-
tet es, dass wir als Reiter sattelfest sein
sollten. Im Umkehrschluss heißt das
jedoch wieder, je besser die Grundaus-
bildung von Pferd und Reiter, um so
besser werden die Zwei mit solchen
Situationen fertig und können mit
dem geplanten Training beginnen. Haben die Pferde erst mal erkannt, dass die Rinder nichts Furchterregen-
des sind, werden auch die Reiter sofort
mutiger und ein gezieltes Training ist
möglich.
Anstelle eines Viehtriebs
können interessierte Reiter
mit ihrem Einsteiger-Pferd einen
„Rinder-Kurs“ besuchen, in dem
bereits viele erfahrene Pferde sind
und dann den „Neuling“ gewisser-
maßen „ins Schlepptau“ nehmen. Dazu gleich mehr!
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