Blick über den Tellerrand: FN-Beirat Sport beschließt Veranstalterentlastung/ Maßnahmenpaket soll steigende Kosten durch Helfer- und Sponsorenmangel bekämpfen
Nicht nur der AQHA-Sport hat mit Absagen einiger Turnierstandorte zu kämpfen (mehr dazu hier), auch im klassischen Reitsport ist dieses Problem seit längerem ein Thema. Während man bei der DQHA auf einem "professionell moderierten" Konzeptmeeting Sport am 10./ 11. Januar 2015 mit Vertretern der Regionalgruppen und des Sportausschusses versucht, Ursachen und Lösungen zu eruieren, ist man bei der FN schon weiter sowohl in der Analyse als auch in der Lösungsfindung wesentlich weiter.
„Die Hilferufe der Veranstalter werden immer lauter“, sagt Friedrich Otto-Erley, Leiter der Abteilung Turniersport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Die Finanzierbarkeit und Kostendeckung eines Turniers wird für viele immer mehr zum Kraftakt. Rund 52 Prozent der Befragten gab an, ihr Turnier mittel- oder langfristig in Gefahr zu sehen.
Kurzentschlossen haben die FN und die Landespferdesportverbände daher ein Maßnahmenpaket geschnürt: Beiträge und Abgaben werden gesenkt (Veranstalterbeiträge) bzw. enfallen ganz (Ausschreibungsgebühren, Infrastrukturabgabe), der bei der Nennung fällige Organisationskostenanteil kann vom Veranstalter flexibel bis auf acht Euro erhöht werden.
„Die Alternative könnte lauten, dass kein Turnier mehr veranstaltet wird", sagt Friedrich Otto-Erley zur Notwendigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Eine Einsicht, die sich zumindest schon mal in der Führungsetage der Deutschen Reiterlichen Vereinigung breit gemacht hat.
Maßnahmenpaket soll steigende Kosten durch Helfer- und Sponsorenmangel bekämpfen
Warendorf (fn-press). Hannover, Bremen, Lingen, Schenefeld – die Absage renommierter Turnierstandorte sorgte in jüngster Vergangenheit für Schlagzeilen. Es sind aber nicht nur die großen und internationalen Veranstalter, denen Sponsoren, Helfer und infolgedessen die Kosten davonlaufen, auch viele „ländliche“ Turniere sehen sich mittel- oder langfristig in Gefahr. Eine Gebührensenkung, vor allem aber die Möglichkeit, einen erhöhten Organisationskosten- oder genauer Veranstalteranteil je Nennung einzubehalten, soll die Turnierausrichter daher ab kommendem Jahr entlasten.
Im Jahr 2014 gab es rund 3.500 Turniere in Deutschland. Dennoch agiert schätzungsweise nur ein Drittel der insgesamt 7.681 Vereine auch als Turnierausrichter, denn manche sind mehrmals im Jahr Gastgeber für andere Pferdesportler. In Zukunft könnten es noch weniger werden. „Die Hilferufe der Veranstalter werden immer lauter“, sagt Friedrich Otto-Erley, Leiter der Abteilung Turniersport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Vor allem die immer weniger werdenden ehrenamtlichen Helfer treiben die Ausgabenseite eines Turniers in die Höhe, dazu kommen „wachsende Ansprüche der Reiter“ und „immer neuen Auflagen, Nebenkosten und Gebühren“. Eine 2010 vom der FN initiierte Veranstalterumfrage machte deutlich, dass es den Vereinen immer schwerer fällt, die nicht durch Nenngelder gedeckten Kosten durch Einnahmen aus Sponsoring, Spenden oder einem florierenden Bewirtungszelt auszugleichen. Die Finanzierbarkeit und Kostendeckung eines Turniers wird für viele immer mehr zum Kraftakt. Rund 52 Prozent der Befragten gab an, ihr Turnier mittel- oder langfristig in Gefahr zu sehen.
Gebührensenkung beschlossen Kurzentschlossen haben die FN und die Landespferdesportverbände daher ein Maßnahmenpaket geschnürt, das die Veranstalter ab kommendem Jahr entlasten soll. So werden die Veranstalterbeiträge zur Züchterprämie bei nationalen Turnieren bis 20.000 Euro Preisgeld sowie bei internationalen Veranstaltungen mit bis zu 100.000 Euro Preisgeld von vier auf drei Prozent gesenkt, bei internationalen Veranstaltungen mit Preisgeldern über 100.000 Euro von zwei auf ein Prozent. Darüber hinaus reduziert sich die internationale FN-Gebühr von 2,5 auf zwei Prozent. Außerdem entfallen für internationale Turniere die Ausschreibungsgebühren im FN-Kalender in der Fachzeitschrift „Pferdesport international“.
Nennen kann teurer werden Für ein Plus in den Taschen der Veranstalter sorgt künftig auch die Möglichkeit, einen höheren Organisationskostenanteil von den Turnierteilnehmern zu fordern. Bislang errechnete sich der Einsatz je Startplatz aus einem Organisationskostenanteil in Höhe von drei Euro für den Veranstalter sowie drei Prozent des Preisgeldes der genannten Prüfung. Ab April kann dieser Organisationskostenanteil – der voll und ganz dem Veranstalter zu Gute kommt – auf maximal acht Euro erhöht werden. „Dem Veranstalter steht es dabei völlig frei, ob überhaupt, in welchem Umfang und für welche Prüfungen er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchte“, erklärt Otto-Erley. So werden bei einem Turnier vielleicht nur die Springprüfungen teurer, um den sanierten Springplatz und die neuen Hindernisse mitzufinanzieren, bei einem anderen reicht eine moderate Steigerung um einen Euro in allen Prüfungen zur Verbesserung der Bilanz aus. „Für die Reiter kann eine Nennung um maximal fünf Euro pro Startplatz teurer werden als bisher. Damit hat ein Veranstalter mit beispielsweise 1.500 Startplätzen, je nachdem wie weit er den Organisationskostenanteil ausschöpft, bis zu 7.500 Euro mehr auf der Habenseite ", so der FN-Turniersportchef.
Infrastrukturabgabe entfällt Im Gegenzug entfällt die Infrastrukturabgabe, die seit 2013 für jedes gestartete Pferd einbehalten werden konnte. „Dies war ein erster Versuch, die Veranstalter zu entlasten, der von vielen sehr begrüßt wurde. Es stellte sich jedoch in der Praxis als schwierig heraus, das Geld vor Ort einzusammeln. Daher wurde immer häufiger der Wunsch an uns herangetragen, die Abgabe gleich mit der Nennung einzubehalten“, so Otto-Erley.
Von dem jetzt vom Beirat Sport der FN verabschiedeten Maßnahmenpaket und der Flexibilisierung des Organisationskostenanteils erhofft sich Friedrich Otto-Erley aber nicht nur eine Zukunftssicherung der Turniere, sondern auch eine qualitative Verbesserung. „Mit ihrem Zuschuss für den Veranstalter tun sich die Reiter im Grunde auch selbst etwas Gutes, denn dieser soll ja in erster Linie für gut organisierte Veranstaltungen mit guten Böden und guter Infrastruktur sorgen“, sagt der FN-Turniersportchef.
Eine Zusammenfassung der Veranstalterumfrage gibt es hier
Interview mit Friedrich Otto-Erley „Die Alternative könnte lauten, dass kein Turnier mehr veranstaltet wird.“
FN-aktuell: Gerade hat die FN ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die Veranstalter zu entlasten. Was war der Grund? F. Otto-Erley: Der Turniersport in Deutschland verändert sich. Bis vor kurzem hat uns vor allem der Rückgang der Reitausweisinhaber alarmiert. In wissenschaftlichen Arbeiten und einer großen Turniersportumfrage haben wir die Gründe hinterfragt und die LPO 2013 angepasst. Hier scheint sich die Situation nicht nur stabilisiert zu haben, die Zahlen steigen seit zwei Jahren sogar wieder leicht an. Nicht so auf der Veranstalterseite. In manchen Regionen hat man den Eindruck, dass der Bedarf an Startmöglichkeiten weitaus größer ist als das Angebot. Und weitere Turniere stehen auf der Kippe, weil die ‚schwarze Null unter dem Strich“ für die Vereine immer schwieriger zu realisieren ist. Dem wollen wir entgegenwirken und gleichzeitig versuchen, die Qualität der Veranstaltungen zu verbessern.
FN-aktuell:Wenn man mit Veranstaltern spricht, ist immer wieder die Klage über zu hohe Gebühren zu hören. Angeblich sind sie schuld daran, dass bei den Vereinen am Ende nichts mehr übrig bleibt und sie die Lust am Turnier verlieren. Was sagen Sie dazu? F. Otto-Erley: Ein Turnier zu veranstalten, kostet Geld, das weiß ich als ehemaliger Vereinsvorsitzender aus eigener Erfahrung: Geld für die Reitanlage selbst, für Hindernismaterial, Zelte, Stromaggregate, sanitäre Einrichtungen, Zeitmessung, Musikanlage und Beschallung, für Ehrenpreise, Schleifen und Pokale sowie für den Meldestellenservice. Dazu kommen diverse Gebühren für die Kommune, z. B. für Straßensperre oder Konzessionen, für die GEMA, für FN und LK, wozu landläufig auch die Kosten für Tierarzt und Hufschmied, Arzt und Sanitäter und die Turnierfachleute wie Richter, Parcourschef gerechnet werden. Speziell diese ganzen Gebühren werden als lästig empfunden, da sie in Umfang und Höhe nicht selbstbestimmt sind und ihr Nutzen nicht unmittelbar zu erkennen ist. Nehmen wir das Beispiel Arzt und Sanitäter. Wer je einen schweren Unfall bei einem Turnier miterlebt hat, wird von sich aus mehr Wert auf die medizinische Versorgung legen als jemand, bei dem in 20 Jahren noch nie etwas passiert ist. Alle Gebühren haben aber einen tieferen Sinn – sei es für mehr Sicherheit, Verbesserung des Sports oder als Solidarbeitrag zu bestimmten Fördermaßnahmen.
FN-aktuell: Oft wird alles unter der Überschrift FN-Gebühr zusammengefasst, tatsächlich ist die eigentliche FN-Grundgebühr aber nur ein kleiner Teil der Abrechnung. Trotzdem bleibt die Frage, wofür dieser bezahlt wird? F. Otto-Erley: Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Restaurant eröffnen. Dann können Sie entweder alles selbst planen und umsetzen – von der Inneneinrichtung über die Speisekarte bis zur Werbung. Oder sie eröffnen eine Filiale einer bekannten Marke, Beispiele gibt es ja genug. Da brauchen sie nicht lange nachzudenken und der Kunde weiß auch sofort, was ihn erwartet. Das bekommen Sie aber nicht umsonst, denn hinter einem solchen Franchise-System steckt ja eine Menge Arbeit. Ähnlich verhält es sich mit einem Turnier. Stellen Sie sich vor, Sie müssten alles komplett neu erfinden! Von der Aufgabenstellung über die Regeln, die Schulung von Richtern und Parcourschefs bis hin zu einem funktionierenden Vertriebssystem, sprich Einladungen, Anmeldungen etc. Denken wir nur an die WBO. Sie bietet Veranstaltern die Chance, sich selbst neue Wettbewerbe auszudenken. Das aber wird kaum genutzt, alle warten auf das fertige „Rezept“. Das alles fällt aber nicht einfach vom Himmel. Mit der FN-Genehmigungsgebühr zahlen die Veranstalter einen Teil der Kosten für die Entwicklung, kontinuierliche Betreuung, Anpassung und Überarbeitung dieses ganzen Turniersystems, inklusive der Menschen, die daran mitarbeiten. Nur lässt sich deren Arbeit bedauerlicherweise schwerer darstellen als zum Beispiel die Tätigkeit eines Hufschmieds, den ich beim Turnier persönlich erlebe.
FN-aktuell: Die Entlastung der Veranstalter soll auch durch die Flexibilisierung des Organisationskostenanteils erfolgen. Für die Teilnehmer kann die Nennung also teurer werden. Wie, glauben Sie, werden diese reagieren? F. Otto-Erley: Natürlich wird keiner jubeln. Es wird ja für uns alle überall teurer. Ich denke aber, dass die Reiter auf Dauer Verständnis haben werden, wenn sie feststellen, dass das Geld direkt beim Veranstalter ankommt und damit zur Verbesserung und zum Erhalt eines Turniers beiträgt. Im schlimmsten Fall könnte die Alternative lauten, dass kein Turnier mehr veranstaltet wird. Und das will sicher niemand.