(Anne Wirwahn) Ein
Eldorado für Westernreiter - so kann man getrost den diesjährigen
EQUITANA-Donnerstag nennen, der traditionell unter dem Banner
der Westernreiter steht. Dazu trugen sicher auch der in diesem
Jahr endlich wieder durchgeführte Böckmann Reining Cup und EQUITANA
Cutting Cup bei, die in der voll besetzten großen Arena ausgetragen
wurden. Aber auch neben diesen beiden Highlights gab es mehr als
genug zu schauen, staunen und natürlich auch zu shoppen.
Das Rahmenprogramm
konnte sich sehen lassen. Der kleine Ring in Halle 7 war bis auf
wenige Pausen über den ganzen Tag mit teils hochkarätigen Vorführungen
ausgebucht. Und auch abseits der Westernhalle waren die Westernreiter
präsent.
Anky van Grunsven
als Reining-Botschafterin
Später am Tag erklärte
Bundestrainer Kay Wienrich mit Hilfe von Oliver Stein und Christina
Tolksdorf die Grundlagen der Reining in der großen Showarena.
Doch der Star des Tages hieß anders: Die Wartezeit auf den Start
des Reining-Cup in der riesigen Hauptarena der EQUITANA in Halle
6 verkürzte Anky van Grunsven aus Holland. Ihr war die Ehre zuteil
geworden, auf den kommenden sportlichen Höhepunkt einzustimmen;
so stellte sie die Reining-Elemente auf ihrem Quarter Horse-Wallach
Whizashiningwalla BB vor, und kommentierte ihren Ritt gleich selbst
- gerade auch mit Augenmerk auf die Unterschiede zum klassischen
Reiten.
Auch von diesem Auftritt kann sicherlich nur positiv aus Sicht
der Westernreiterei gesprochen werden - als eine der besten Dressurreiterinnen
der Welt das Herz fürs Westernreiten entdeckt, ist Anky van Grunsven
sicherlich ein unschätzbar wertvoller Werbeträger, der viele Menschen
erreichen, Vorurteile verdrängen und statt dessen Gemeinsamkeiten
betonen kann.
Meet&Greet mit Anky van Grunsven in der w!.com-Lounge
Grandios: Die mehrfache Olympiasiegerin Dressur und gleichzeitig
auch Teilnehmerin an den Weltreiterspielen in der Disziplin Reining
stand nachmittags am w!.com Stand von Ekkehard Wittelsbuerger
nahezu eine Stunde lang zu einem Meet & Greet-Treffen bereit.
In lebhaften Gesprächen in entspannter Atmosphäre skizzierte Anky
dabei ihre Gedanken zum Westernreiten und führte viele Thesen
auch weiter aus. Im Mittelpunkt stand hier die Diskussion um den
Vergleich Westernreiterei-Klassische Reiterei.
"Meine Kollegen und Freunde haben mich wirklich für völlig verrückt
gehalten, als plötzlich mein Quarter Horse-Wallach Whiz im Stall
stand", so Anky lachend. Mit vielen Vorurteilen musste sie sich
auseinandersetzen - Westernreiten als `Rodeosport`, das kein anspruchsvolles
Reiten voraussetzt und aus anscheinend ‚einfachen' Manövern besteht.
"Diese Einstellung hat sich bei mir im Stall aber nun geändert",
konnte Anky van Grunsven berichten, und definiert gleich auch
noch die Gemeinsamkeit von Western- und Dressurreiterei: "Die
Grundausbildung von Western- und Dressurpferden ist meiner Auffassung
nach sehr ähnlich. Grundsätzlich anders ist dagegen die weiterführende
Ausbildung der Pferde bzw. das Ausbildungsziel, also auch das
Showing. Insgesamt sehe ich im Westernreiten mehr Möglichkeiten
in der Pferdeausbildung; anders als in der Dressur ist ja kein
Ausbildungsweg fest definiert, und das finde ich gut."
"Warum ich so gut bin? - Ich bin für neue Impulse offen."
Den ein oder anderen kleinen Anstoß aus dem Westerntraining hat
sie daher auch in ihr Training mit den Dressurpferden eingebaut.
"Generell empfinde ich es so, dass in der Dressurreiterei mit
mehr Druck geritten wird. Das ist mir im letzten Jahr, seitdem
ich das Westernreiten auch im Turniersport begleite, noch einmal
deutlich geworden und ich versuche nun, auch in der Dressur lockerer
zu reiten." Und ist trotz den anfänglichen Unkenrufen einiger
Kollegen stolz darauf, über den Tellerrand hinaus zu gucken: "Mein
Bewusstsein beim Reiten hat sich durch das Westernreiten noch
einmal sehr geändert. Ich finde generell, dass es eine große Bereicherung
für jeden Reiter sein müsste, viele verschiedene Sachen mit Pferden
zu machen und unterschiedliche Dinge zu verfolgen. Warum ich so
gut bin? - Ich bin für neue Impulse offen und mache und versuche
einfach alles! Stellt euch doch nur einmal einen Athlet vor, der
sich z.B. auf 800m-Läufe spezialisiert hat. Wie trainiert so ein
Athlet? - Doch nicht nur, indem er 800Meter-Läufe in Serie rennt.
Er macht Krafttraining, Ausdauertraining, und sicher auch noch
einige andere ‚fachfremde' Sachen. In dieser Hinsicht könnte man
sich in der Dressurreiterei bestimmt noch weiterentwickeln. Die
Westernreiter sind hier nach meiner Beobachtung offener."
Seit Jahren, ja Jahrzehnten im Spitzensport der Dressurreiterei
unterwegs, ist es dieser Lerneffekt aus der für sie neuen Reitweise,
der Anky van Grunsven zusätzliche Motivation gibt. "Es gibt mir
richtigen Antrieb, dass ich die Reining noch nicht wirklich super
gut reiten kann. Es ist ja erst rund ein Jahr her, dass ich mein
erstes Reining-Turnier geritten bin und dachte ‚okay, damit kannst
du dich sehen lassen'."
Nicht umsonst ist der auffallend hübsche Palominowallach Whizashiningwalla
BB bei ihr eingezogen. Doch es spielten auch einige Zufälle eine
Rolle, bis es erst einmal so weit war. Zufall Nummer 1: Ihre Freundschaft
mit der bekannten Reiningreiterin Riecky Young, deren Trainingsstandort
nur wenige Minuten von der Anlage der van Grunsven-Familie entfernt
liegt. Dort kam Anky schon vor vielen Jahren mit dem Westernreiten
in Kontakt und konnte sich ab und an einmal ausprobieren.
Zufall Nr. 2: Der Kontakt zur Familie Baeck, die sie in den USA
auf einem Worldcup-Finale kennen lernte, und die ihr dort den
Quarterhorse-Wallach Whizashiningwalla BB als Turnierpferd anboten
- so kam ‚Whiz' in den Stall von Anky van Grunsven. "Er ist wirklich
der Exot bei uns, mit seinem Ponystockmaß und der Palomino-Farbe
fällt er einfach auf. Und ich trainiere ihn natürlich auch regelmäßig
im Westernoutfit zwischen unseren Dressurpferden", lacht Anky.
"Aber bei uns reite ich nur die Grundlagen mit ihm - für das Manövertraining
wie Sliding Stops und Spins fahre ich zu Riecky Young."
Seit September 2009 steht Whiz in ihrem Stall. Eigentlich erst
‚nur' von der Familie Baeck als Turnierpferd zur Verfügung gestellt,
wurde der Wallach dann aber doch zu einem echten Familienmitglied;
heute gehört er Anky van Grunsven. "Das lag zu einem großen Teil
auch an meinen Kindern, die sich in Whiz verliebt haben. Das hat
mich letztendlich überzeugt - Dressurreiten und Dressurpferde
sind einfach noch nichts für die kleinen Kinder. Im Westernsattel
kann ich sie öfter einmal vor mir mit aufs Pferd nehmen; das geht
sogar in allen Gangarten. Mein sechsjähriger Sohn will natürlich
direkt Galopp reiten", erzählt Anky mit einem Lachen aus ihrem
Familienleben. "Das geht natürlich im Dressursattel nicht. Und
ich weiß auch nicht, ob er sich in der Frauendomäne des Dressurreitens
so wohl fühlen würde." In ihren Wallach hat Anky ein Grundvertrauen,
das sich in ihren Erzählungen widerspiegelt. "Er ist ein sehr
sicheres Pferd und so gut wie scheufrei, wenngleich er dafür ziemlich
viel Power hat. Aber das brauche ich auch - Pferde, die von sich
aus vorwärts laufen. Viel treiben mag ich nicht gerne."
Und im Vergleich schneiden Quarter Horses auch gut ab: "Auf ein
Warmblut würde ich mich nicht ohne weiteres ohne Vorinformationen
draufsetzen, anders als bei Quarter Horses, obwohl ich auch hier
schon mal ein heißes Exemplar geritten bin."
Westernreiten ist und bleibt Hobby neben professioneller Dressurreiterei
Ganz klar definiert sie aber auch für sich: "Das Westernreiten
ist mein Hobby und macht mir einfach großen Spaß. Mein Lebensunterhalt
bleibt ganz klar die Dressurreiterei - ich trainiere bis zu zwölf
Pferde am Tag, gebe Unterricht, zeige Schaubilder, reite internationale
Turniere über das ganze Jahr. Da bleibt einfach keine Zeit mehr
für große Pläne in der Westernreiterei. Mal schauen, was sich
dieses Jahr ergibt - ich würde natürlich auch gerne das ein oder
andere Turnier reiten, aber das darf sich natürlich nicht mit
meinem Dressur-Kalender beißen."
Zumal Anky van Grunsven nach dem Verkauf ihres letzten Top-Pferdes
Painted Black nun ein vielversprechendes Nachwuchspferd im Stall
hat, das kontinuierlich für die Olympischen Spiele in London aufgebaut
werden soll. Zehn Jahre ist das Nachwuchspferd alt - ein Vergleich
mit der Altersstruktur der Pferde in der Reining-Szene drängt
sich hier auf. "Generell kann man Quarter Horses und Warmblüter
sicher nicht vergleichen", so die Meinung von Anky van Grunsven.
"Quarter Horses sind einfach kompakter gebaut und haben mehr Muskulatur.
Die Ausbildung eines Dressurpferdes dauert auch einfach viel länger.
Davon abgesehen gibt es übrigens auch viele Warmblüter, die mit
zwölf Jahren kaputtgeritten sind", sagt sie ehrlich. "Nichtsdestotrotz
habe ich auch schon öfter gesehen, dass die Reining-Reiter, gerade
auch in unteren Leistungsklassen, sehr hart mit ihren Tieren umgehen.
Es gibt viele unschöne Bilder teilweise. Hier kann und muss sich
noch etwas ändern."
Ihr ehemaliges Star-Dressurpferd Salinero ist jedenfalls ein gutes
Beispiel für die Langlebigkeit eines Sportpferdes. Nach längerer
Pause hat Anky van Grunsven nun wieder leichtes Training mit dem
17-jährigen Wallach aufgenommen und ist begeistert. "Er bietet
sich so schön an und läuft wieder toll," berichtet sie über ihren
Star im Stall. "Wer weiß, vielleicht bestreiten wir zusammen doch
noch einmal die ein oder andere Prüfung. Aber nicht mehr international",
so ihr abschließender Ausblick.